Berliner Mosaik Connection

Die Digedags im alten Rom

Auf der Suche nach Erzählzyklen, die sich in Buchform zusammen fassen ließen, landete man schließlich bei ganz frühen Heften, in denen die Handlung im alten Rom spielte. Dabei wurde endlich die fortlaufende, aber jeder Chronologie (Erscheinung wie auch Handlung) entgegen stehende Nummerierung der Nachdrucke zugunsten einer serieninternen römischen (!) aufgegeben.

Rom 1
Band I
Circus Digedag
Mosaik 13-16
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Mosaik noch in den Kinderschuhen (Rezension von nachtwindhund)
Die Digedags und einige Südseeinsulaner geraten mit ihrem Zirkusschiff in einen Wirbelsturm, der sie in die Nähe des antiken Roms der Kaiserzeit trägt. Dort haben sie -panem et circensis - natürlich ein begeistertes Publikum, was ihnen die Feindschaft des intriganten Zirkusdirektors Gallus einträgt. Gegen dessen Machenschaften setzen sie mehrfach ihren erprobten Mutterwitz ein. Doch was hülft's , wenn der über mehr verfügt als gute Beziehungen. . .
Noch waren es keine ideologischen Vorlagen, die Hannes Hegen 1957 zu einer Änderung des Schauplatzes seiner Digedagsgeschichte bewogen: Ausschlag für das Verlegen der Handlung in das antike Rom war seine Begeisteung für die aufkommenden Sandalenfilme.
Das ungeheure Potential dieses Comics zeigt sich im vorliegenden Sammelband erst ansatzweise. Immerhin sorgen einige Vogelperspektiven von Ostio, dem Hafen Roms, und anderen römischen Gebäuden für eine verbesserte Darstellung in den großformatigen Bildern; Hegens Mitarbeiter Oesterreicher schoß hierfür eigens Photos von der Leinwand, wenn in West-Berliner Kinos Ben Hur und Co. die Säle füllten. Ansonsten bleibt das zeichnerische Niveau etwa gleich zu dem der Südseegeschichten, wobei die von Anfang an erkennbare Vorliebe für skurrile Typen, liebevoll individuell ausgestaltet, sichtbar wird.
Dialoge und Handlung sind noch recht unbedarft, und solche Schnitzer, daß die Digedags zu Beginn Pinguine UND Eisbären von einem schmelzenden Eisberg auf ihr Zirkusschiff retten - nebst einigen Robben - zeugen ebenso von dem noch unbekümmerten Umgang mit der Realität wie das Sprachvermögen der Tiere, das in der neuen Kulisse des antiken Roms merkwürdig fehl am Platze wirkt. Ebenso theaterspielende Hunde und eine jodelnde Kuh ! Das Mosaik bewegt sich in diesem kurzen Zwischenstadium auf dem Grat zwischen einer anspruchslosen Bildgeschichte für jüngere Schulkinder und einem historisierenden Comic, wie es „Asterix" bald darauf werden sollte.
Daß sich, nach einer eindeutigen Entscheidung für die zweite Richtung, daraus enormes Kapital für Handlung und Figuren schlagen ließ, beweist bereits der Folgeband „Verschwörung in Rom", mit dem das Mosaik den Kleinkinderschuhen entwächst.
Fazit: ein Buch für Digedags-Afficionados, denen die hochbegehrten frühen Hefte in der Sammlung fehlen. Für andere Comicfreunde nur bedingt zu empfehlen.
Rom 2
Band II
Verschwörung in Rom
Mosaik 17-20
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Ein ostdeutscher "Asterix" - vor Asterix ? (Rezension von nachtwindhund)
Inhaltlich und zeichnerisch handelt es sich bei der „Verschwörung" um den besten Sammelband der kurzen Römerserie der Digedags. Der originelle Einfall des Angriffs auf Rom durch römische Fallschirmlegionäre - Soldaten des verräterischen Julius Gallus - bot den Zeichnern Gelegenheit für eine interessante Vogelperspektive auf die Tiberstadt. Daß die ulkig geformten Fallschirme eigentlich die Form des römischen Adlers nachempfinden sollten, aber vom ideologischen Wächter des Mosaiks, dem neuernannten Chefredakteur Dornhof, zensiert wurden, weil sie Assoziationen zum westdeutschen Bundesadler wecken könnten, gehört zu den Treppenwitzen der Schaffensgeschichte des Mosaiks.
Die Digedags wehren den Angriff listig mit von Dig erfundenen Verteidigungsgeräten ab, werden jedoch wegen Ärgernissen während der Siegesfeier vom selbstherrlichen Kaiser Celsius in die Fremdenlegion gesteckt. Ebenso wie einige Zeit im „Asterix" geben sich dort Anachronismen wie ein bayrischer Oberst mit entsprechendem Idiom („i bin doch koa dummer Schulbub net") und ein arabischer Legionär ein Stelldichein. Neu eingeführt wird hier zudem der als Sidekick der Digedags gedachte germanische Koch Teutobold, der für ein weiteres komisches Element sorgen sollte. Was Digedags einsame Reise zurück nach Rom für die Serie bedeutete, wird erst nach einigen weiteren Heften klar. . .
Reine Asterixfans werden den Anspruch, daß die Römerserie sich mit den vorliegenden Kapiteln zum östlichen Vorläufer der Abenteuer des berühmten Galliers mauserte, sicherlich zurückweisen. Und tatsächlich, da durch ideologische Zwang schließlich abgebrochen, blieb sie Fragment und konnte die geplanten Abenteuer des Trios in Gallien, Germanien und Britannien nicht mehr entwickeln. Dennoch gelang dem Mosaikkollektiv in den hier vereinten Heften 17- 20 („Die Verschwörung", „Der Angriff aus der Luft", „Die Siegesfeier" und „In der Fremdenlegion") der Sprung zur einfallsreichen und humorvollen Darstellung des alten Rom im Comic. Menschelnde Tiere wie in den vorigen Heften gehören nun der Vergangenheit an.
Wäre nicht der Einspruch der sozialistischen Kulturfunktionäre dazwischengefahren, denen die Geschichte zu wenig klassenkämpferisch erschien - mit dieser Serie wäre wohl ein Pendant zu Asterix erwachsen. Zeitiger zumal : die Römerserie startete im Dezember 1957, und Asterix erblickte offiziell in der ersten Nummer des „Pilote" im Oktober 1959 das Licht der Welt.
Die Deckblattzeichnungen, die jetzt als Kapiteleinleitungen fungieren, als auch die Schlußblattbilder wurden für den Sammelband von Hannes Hegen neu gestaltet, nicht unbedingt zum Vorteil - sein jetzt etwas zu lockerer Strich fügt sich nicht ganz in seinen vormaligen Stil ein, der als ostdeutsche Variante der ligne claire bezeichnet werden könnte.
Wer die Digedags von späteren Serien her kennt, findet mit diesem Band einen frühen, wenn auch noch nicht ausgereiften Höhepunkt der Serie. Mosaik-Neulinge, die vom „Asterix" verwöhnt sind, sollten mit der farbenprächtigen Ritter-Runkel-Serie in die Digedags-Welt einsteigen - früher oder später finden sie auch zur „Verschwörung in Rom".
Rom 3
Band III
Die Seeschlacht
Mosaik 21-24
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Seeräuberromantik und Klassenkampf (Rezension von nachtwindhund)
Nachdem Digedag sich allein wieder nach Rom gewendet hat, um den gemeinsamen Circus zu retten, den die Digedags mit den Südseeinsulanern gemeinsam betrieben hatten, fliehen Dig und Dag nach Süden. Ihren Gefährten werden sie so bald nicht mehr zu Gesicht bekommen: er wurde der dramaturgischen Raison geopfert, da die Gruppe zusammen mit dem neueingeführten Germanen Teutobold als zu groß erschien. Wobei der knollennasige Kuhhornhelmträger Dig und Dag nur eben bis zum Ende der Römerserie begleitet und sich auf den letzten Seiten des vorliegenden Bandes wieder von ihnen verabschiedet. Der rothaarige Lulatsch Digedag blieb dennoch verschwunden, erst auf Drängen zahlreicher Fans hinterließ er Jahre später in der Ritter-Runkel-Serie Spuren, die letztendlich zur Wiedervereinigung (!) des Trios führen.
"Die Seeschlacht" kann nicht so ganz wie der vorige Sammelband der Römerserie überzeugen. Auf der Reise nach Süden - statt, wie ursprünglich vorgesehen, nach Gallien und Germanien - wandelt sich die Szenerie, die durch zeitgenössische, aber gar zu vordergründige Anspielungen deutlich weniger "antik" wirkt.. Statt dessen macht sich die Forderung der begutachtenden Kulturfunktionäre bemerkbar, die dem Mosaik zunehmend einen "klaren Klassenstandpunkt" oktroyieren wollten.
Dazu muß nun ein maltesisches Fischerdorf herhalten, das durch die Garnison eines nahen Kastells bedrängt wird - ein recht konstruiert wirkender Hintergrund. Da ist die Geschichte um die schöne Olivia, die mit ihrem Geliebten, dem Sklaven Alfio vor ihrer Verheiratung flieht, glaubwürdiger. Bei ihrer mehrmaligen Begegnung mit Piraten, richtigen Galgenstricken, sind die Digedags mehrmals von großem Nutzen. . . Hier liegen auch die besten Stellen der Geschichte. Die titelgebende Seeschlacht hingegen, mit cleveren Geheimwaffen des Ingenieurs Sinus Tangentus bestritten, ist kurz und undramatisch; Feinheiten wie die richtige Darstellung einer Enterbrücke, nämlich vertikal UND horizontal beweglich (von den Römern allerdings nur im ersten Punischen Krieg benutzt) darf man sich nicht erhoffen.
Sehr hastig endet die Erzählung, um die Digedags mit ihrem neuen Sidekick Sinus Tangentus an die nordafrikanische Küste zu entlassen, wo sich bekanntlich mit der "Entführung ins All" der Wechsel zur Weltraumserie vollziehen wird.
Zeichnerisch ist eine weiter verbesserte Beherrschung der Hintergrundgestaltung zu vermerken - überraschend gut im Vergleich zu späteren Heften der frühen Erfinderserie. Ausnahmen bestätigen die Regel; da wurden wohl unter Termindruck Seiten geschrubbt. . . Auch in diesem Band wurden Einband und Kapiteleinleitungen neu gezeichnet, mit einem hastig-lockeren Strich etwas weniger schön anzuschaun als die Originale von anno dazumal.
Fazit: in Fortsetzung der "Verschwörung von Rom" etwas schwächer als diese, aber Digedags-Fans werden sich über die etwas preisgünstigere Neuauflage freuen, so die alten Hefte fehlen.